Mittwoch, 28. November 2007

Santa Cruz de Tenerife im Oktober

Die gelben Chrysantemen blühen. Es ist Herbst. In den Schaufenstern wird die neue Winterkleidung präsentiert. Braun und Lila sind die neuen Modefarben. Warme Winterstiefel, Pelzjacken und Wollpullover werden auch hier verkauft. Der Kalima bringt uns heiße Luft aus Afrika und schwüle 30 Grad.

Maria Elena, die Kubanerin ist jetzt meine beste Freundin in der La Gacetta. Eine Deutsche und eine Kubanerin. Die Welt ist klein und Santa Cruz ein Dorf. Sie erzählt ihre intimen Geschichten im Schlagzeilenstil. Mein Privatleben wird plötzlich öffentlich, da ich keine Kontrolle mehr habe und doch bleibt vieles an der Oberfläche wie ein stiller See. Private Geschichten erfahre ich auch nicht von meinen Fotografenfreunden. Geschichten die man sich nur zu zweit erzählt. Pepe ist für mich ein weisses Blatt. Ramon´s Leben sehe ich schemenhaft vor mir. Abel´s Leidenschaft ist die Fotografie. Alex ist der einzige der mir zwischen den Fototerminen Bruchstücke aus seinem Leben erzählt. Ich möchte die Vergangenheit eines Menschen kennenlernen, um ihn besser zu verstehen. Die Eintrittskarte zu einer Freundschaft.

Die La Gacetta soll nächstes Jahr noch vor den Wahlen mit 80 Seiten erscheinen. Der Inhaber unterstützt die PSOE, El Mundo ist PP. Dann haben wir eine Zeitung mit rechten und linken Parteien in einem. Was tatsächlich geschieht, weiss kein Mensch. Dann soll es auch Verträge für die Fotografen geben. Sozialversicherung, 45 Urlaubstage, zwei Tage frei in der Woche und ein Gehalt von 1500 Euro netto. Das erscheint mir wie ein Paradies. Der einzige Fotograf mit Vertrag ist Santi, ein enger Freund des Direktors. Er steht jetzt an erster Stelle. Ich arbeite immer noch für 5 Euro pro veröffentlichtes Foto. Bei diesen Bedingungen merke ich, wie lange ich schon unterhalb der Armutsgrenze lebe. Ich bin es gewohnt wenig Geld auszugeben. Für den Kapitalismus wäre es besser etwas mehr Geld auszugeben. Und das Ziel, mehr Geld zu verdienen. Wo ist die Grenze des einfachen Lebens? Zum Leben braucht man kaum etwas. In Mauretanien ist der Kapitalismus weit entfernt. Dort braucht man nur das nötigste zum Leben. Hier sind es andere Dinge die zählen. Wie lange kann man ein Kleid tragen, bis man aus der eigenen Gesellschaftsschicht ausgeschlossen wird? Ein Kleid könnte fast ein ganzes Leben nützlich sein. Also warum ein zweites kaufen? Wenn kein Geld für Restaurants, Ausgehen, Kino oder Urlaub da ist, bleibt man allein. Arbeiten wir um nicht allein zu sein?

Sich niederlassen, Teneriffa als meine neue Heimat betrachten, das kann ich bei diesen Bedingungen noch nicht. Ich bin immer noch auf der Durchreise. Wenn ich morgen meinen Koffer packe, kann ich innerhalb 24 Stunden an jedem Ort der Welt sein.

Geschmackvoll eingerichtete Wohnungen, die zum Bleiben einladen, ein grauer Himmel der Regen verspricht, ein intensives Gespräch mit Freunden, das alles habe ich eingetauscht gegen Sonne, Strand und immer gleich gelaunten Menschen, so wie die Lufttemperatur: konstante 24 Grad.

Immer wieder die Frage: was bedeutet Heimat? Wenn ich einen Schneebesen in der Küche habe und einen Kuchen backen kann? Wenn die richtige Tasse und das passende Besteck auf dem Tisch serviert wird und ich Gäste einladen kann? Ich kann mir mittlerweile jeden Ort auf dieser Welt vorstellen. Ortlos durch die Welt ziehen.

2 Kommentare:

_| hat gesagt…

du schreibst gut,fehlen nur die fotos.alles gute!!

_| hat gesagt…
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