Mittwoch, 28. November 2007

Santa Cruz im September

Alle singen auf spanisch »hasta luego cocodrilo«. »See you later aligator« Im Puerta Verde wird der Todestag von Elvis gefeiert. Die Spanier übersetzen alles zum Mitsingen. Der ganze Laden tanzt und ist im Elvisfieber.

»Der Pianist« von Roman Polanski im spanischen Fernsehen. Wie unterschiedlich beide Kulturen. Osteuropa.
Ich spüre meine Herkunft, das blasse Licht, die Kälte, die Gesichter. Da komme ich her, diese Umgebung haben eine Vertrautheit die der Süden nie für mich sein wird. Was bedeutet eigentlich Heimat? Wenn man die Angewohnheiten der Menschen angenommen hat, oder versteht? Wenn man eine Familie gedründet hat? Oder nicht mehr das Bedürfnis hat woanders hinzureisen? Wenn man akzentfrei den Dialekt spricht? Wenn die Leute sagen, jetzt bist du eine von uns? Wenn man die Witze versteht? Wenn ich mir keinen anderen Ort auf der Welt vorstellen kann? Wenn ich eine Liebe gefunden habe? Oder Kinder in diesem Land geboren habe? Oder wenn ich auch Steuern zahle, so wie alle anderen auch und die Vergünstigungen der Canarios bekomme?

Nach zwei Wochen Mauretanien öffne ich die Tür meiner Wohnung in der Calle Porlier und eine neue Frau sitzt zwischen Kisten und Koffern auf der durchgesessenen Couch im Wohnzimmer. Daneben ein kleiner weißer Flokatihund. Der wohnt jetzt etwa auch hier? Ich bin allergisch gegen Tierhaare. Mein erster Gedanke: die neue Freundin von Marcel? Marcel fliegt morgen nach Kuba. Er will jetzt ein neues Leben beginnen. Alte Computer in Kuba verkaufen. Kleider aus Miami über die Dominikanische Republik schicken. Reisen. Er liebt das Reisen und die Unabhängigkeit. Seine Seemannszeit war die glücklichste in seinem Leben. Sagt er. Das einzige was von Esther, seiner ehemaligen Freundin, bleibt sind die Erinnerungsfotos am Wohnzimmerschrank. Mal sind sie weg, mal hängen sie wieder dort. Je nachdem wie das Gespräch mit ihnen gerade gelaufen ist.

Die neue Mitbewohnerin heißt Elba und kommt aus Guatemala. Sie verschweigt ihr Leben in Malaga. Zufrieden sei sie, sie brauche keinen Freund. Das erscheint mir seltsam. Einerseits bewundere ich ihre Unabhängigkeit, aber ich glaube ihr nicht. Das wäre der erste Mensch, der sich nicht nach einer Zweisamkeit sehnt. Die Geschichten entfalten sich mit den Tagen. Ihr Freund heißt Frank und ist aus Kiel. Sie wird im Oktober nach Malaga zu ihm ziehen. Teneriffa gefällt ihr nicht. Die Unternehmen nutzen die Arbeiter aus und alles ist teuer. Auf der spanischen Halbinsel sei die Lebensquilität besser. Frank hat sie im Fahrstuhl zwischen der zweiten und fünften Etage kennengelernt. Seitdem sind sie zusammen. Das war vor drei Jahren. Wegen Ihrer Schwetser kam sie nach Europa. Vier Jahre hat sie ihre Heimat nicht gesehen. Und ihre Schwester wohnt mit ihrem Ehemann in Norwegen. Ein kaltes Land wo die Leute nur zu Hause sitzen und studieren. Elba träumt von Guatemala. Von der Vielfalt der Früchte, den Menschen und dem tropiscchen Klima.

Gegen Abend ist Arancha perfekt geschminkt. In rosa und grün. Kurze weisse Hotpants mit pinkfarbenen Cowboystiefeln und hautfarbene Nylons. Ihr Leben findet nachts in den Bars statt. Ich weiss nicht wann sie schläft. Ab und zu bringt sie einen Afrikaner mit nach Hause, der am frühen morgen wieder verschwindet. Am späten morgen geht sie müde zur Arbeit.

Maria Elena, eine Kubanerin arbeitet in der La Gacetta und gibt mir vertrauliche Ratschläge. Immer schön freundlich sein, den Chef nicht zuviel belästigen. Keine Scherereien machen. Der Canarier sei ein Feigling und spreche die Dinge nie klar aus. Gestern hat ein Redakteur meine Fotos an zwei verschiedene Zeitungen herausgegeben. Ein Gefallen zwischen Redakteuren, wenn ein Foto fehlt. Die Rechte haben nicht die Fotografen. Ich sage wie es ist, und das sowas in Deutschland unmöglich sei. Aber ich bin hier auf Teneriffa und nicht in Deutschland und wenn ich überleben will, muss ich mich anpassen. So ist das. Ich werde hier nichts ändern und die einzige Möglichkeit ist, zu gehen. Ich sehe meine Arbeit als Berufserfahrung. Gibt es ein Leben nach der La Gacetta? Die Möglichkeit in einer Fotoagentur zu arbeiten?Teneriffa zu verlassen?

Die Politiker reden, ob jemand zuhört oder nicht, das ist egal. Lopez Aguilar porträtiert Spinola als Comic, andere Telefonieren, andere schlafen oder schauen gelangweilt in die Gegend, während ein Politiker am Rednerpult mit vielen Gesten seine Meinung verkündet. Alles ein Spiel. Sie werden für die Reden bezahlt.

Es gibt Neuigkeiten in der »La Gacetta«. Der Besitzer hat gewechselt. Vom ehemaligen Boxer zu Hernandez, ein ehemaliger Ringkämpfer. Der neue Direktor arbeitete vorher bei der Konkurrenz »El Dia«. Die Leute reden viel. Es gäbe Verträge für alle Fotografen, bezahlter Urlaub, geregelte Arbeitszeiten und ein Redakteurengehalt. Ein Traum. Und ich mitten drin? Jetzt wollen alle bei der »La Gacetta« arbeiten. Ab nächstes Jahr erscheint die Zeitung ohne »El Mundo« Bleibe ich jetzt doch auf Teneriffa?

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